Rechtliche Situation


Bundesrechtskonformität von kantonalen Abstandsregelungen

Die Kantone haben die Pflicht, im Richtplan Potenzialgebiete für die Windkraftnutzung auszuscheiden. Bei den Gebietszuweisungen müssen sie berücksichtigen, dass der Windenergienutzung und ihrem Ausbau ein nationales Interesse zukommt. Als Konsequenz aus dieser Richtplanpflicht dürfen die Kantone keine Festlegungen machen, die den Ausbauzielen zuwiderlaufen oder deren Erreichen illusorisch machen. Kantonale oder kommunale Vorgaben einzig mit dem Ziel, die Realisierung von Windkraftanlagen in geeigneten Gebieten per se auszuhebeln, widersprechen damit den energierechtlichen Vorgaben des Bundes. Zudem gilt zu beachten, dass bei Einhaltung der Planungswerte weitere Massnahmen im Sinne der Vorsorge nur zulässig sind, wenn damit mit verhältnismässig geringem Aufwand eine wesentliche zusätzliche Reduktion erreicht werden kann. Abstandsvorschriften, die den Bau einer Anlage unverhältnismässig erschweren oder gar verhindern, können sich nicht auf das Vorsorgeprinzip stützen und wären daher auch vor diesem Hintergrund als bundesrechtswidrig zu betrachten.

 

Abstandsregelungen in Gemeinden

Im Kanton Zürich haben inzwischen die Gemeinden Altikon, Thalheim, Brütten, Dägerlen, Elgg, Rickenbach, Russikon, Wila, Wildberg und Winterthur Vorstösse und Gemeindentscheide zu Mindestabständen behandelt. Bislang hat in der Region einzig Rickenbach eine Initiative zur Vergrösserung des Mindestabstandes abgelehnt.

Es ist zu vermuten, dass solche Gemeindeentscheide gegen übergeordnetes Recht verstossen und deshalb ungültig sind.

Das Bundesgericht ist unlängst in einem Entscheid betreffend die Verweigerung der Genehmigung einer Änderung des kommunalen Baureglements der Gemeinde Tramelan zum Schluss gekommen, dass eine Gemeinde zum Schutz der Bevölkerung Mindestabstände definieren kann, obschon die Bundesgesetzgebung den Bereich Lärmschutz abschliessend regelt (Urteil BGer 1C_149/2021 vom 25. August 2022).

Die Gemeinde hatte einen Mindestabstand von 500 Metern in die Gemeindeordnung einfügen wollen. Der Kanton Bern und das Verwaltungsgericht lehnten dieses Ansinnen ab. In dritter Instanz hat das Bundesgericht aber entschieden, dass im Prinizip die Gemeinden diese Kompetenz haben und die kantonalen Instanzen das akzeptieren müssen. Das Bundesgericht hielt aber in einem anderen Entscheid fest, dass solche Mindestabstände in die Gesamtinteressenabwägung einfliessen müssten und daher nicht absolut gelten. Das könnte auf eine Klage hin zur Konsequenz haben, dass das nationale Interesse an der Energiegewinnung über diese Gemeindevorschrift getellt werden könnte, genauso wie das höhere Interesse auch gegen andere Einwände favorisiert würde. Das könnte Schutzwälder, Naturschutzgebiete, die Lärmvorschriften etc. treffen, die als Einwände nicht akzeptiert werden. Das war jedenfalls die Konsequenz des Bundesgerichtsurteils im Fall des Windparks Mollendruz. Da wurden Abstandsvorschriften von Gemeindeordnungen nicht als Hinderungsfrund für die Realisierung von Windkraftanlagen beurteilt. 


Aus dem Jahresbericht des SLS 2022 entnehmen wir folgenden Bericht

Windenergieanlagen - Stand der Rechtsprechung

Der Bundesgerichtsentscheid vom 27. Oktober 2022 zur Windparkplanung auf dem waadtländischen Mollendruz VD für 12 Windturbinen zeigt eine äusserst klare Rechtsprechung, die auch für den Umgang mit künftigen Windparkprojekten massgebend sein wird. Das Bundesgericht hat in deutlicher Weise sämtliche Bedenken betreffend Vogelschutz, Naturparkverträglichkeit und Landschaftsschutz - immerhin werden die Windanlagen auf der langgezogenen ersten Jurakrete von weither sichtbar sein und die Horizontlinie durchschneiden - mit dem Argument des nationalen Interesses verneint.

Auch wird vom Bundesgericht ein hoher Stellenwert der kantonalen Richtplanung eingeräumt. Auch im Fall des Windparks «Sur Grati» (VD) entschied das Bundesgericht - die SL-FP war nicht im Verfahren beteiligt - dass die Interessenabwägung punkto Standortwahl bereits auf Richtplanstufe vorgenommen wurde und ebenfalls das nationale Interesse überwiegt, auch wenn die Windturbinen von Romainmötier aus sichtbar sind und der Windpark wie die Anlagen auf dem Mollendruz im «Pare naturel regional du Jura vaudois» liegen. Auch die Unesco-Welterbestätten der Uhrenindustrie von La Chaux-de-Fonds und Le Locle sind kein Hindernis für nahe gelegene Windanlagen: Eine Expertenkommission der Unesco hat drei benachbarte Windpärke mit insgesamt 27 Turbinen als «kompatibel» mit der Unesco-Klassifizierung erklärt. Was bedeutet dies für die SL-FP? Windenergieanlagen sind rechtlich in der Schweiz grundsätzlich überall dort zulässig, wo nicht hoch geschützte Tierarten unmittelbar gefährdet sind und wo nicht der Kerngehalt von national geschützten Landschaften und Ortsbildern betroffen sind.

Das bedeutet, dass die Windturbinen bald zum vertrauten Bild unserer Hügel- und Berglandschaft gehören werden. So haben 422 Windenergieanlagen bereits eine Förderzulage des Bundes in der Tasche, und gemäss einer Studie des Bundesamtes für Energie vom August 2022 könnten in der Schweiz rund 1000 Anlagen, teilweise auch in un­seren nationalen Landschaftsperlen (BLN), gebaut werden. Wir stehen vor einer der grössten Transformationen unserer Landschaften. Der SL-FP wird sich noch stärker für den Schutz der noch verbliebenen infrastrukturfreien Räume einsetzen müssen.